Millionen von Klicks: Das ist der erfolgreichste Schweizer auf Unsplash

Tom Brühwiler
Autor:

Tom Brühwiler

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Internet & Recht

Veröffentlicht am 1. Apr. 2021

Aktualisiert am 3. Juni 2021

Alles begann am 27. Mai 2013 mit einem Tumblr-Blog: Der in Montreal lebende Entrepreneur Mikael Cho kaufte sich ein vorgefertigtes Tumblr-Theme für 19 Dollar, lud zehn Bilder seines Firmen-Photoshoots auf seine Dropbox, verlinkte diese auf seinem nigelnagelneuen Blog und bot sie zum kostenlosen und lizenzfreien Download an. Unsplash war geboren. Nur ein Jahr später zählten die Macher bereits 776 Fotos und über 10 Millionen Downloads und zogen auf eine eigene Website um.

Heute gehört Unsplash, das gerade vom amerikanischen Bildagentur-Multi Getty Images gekauft wurde, zu den bekanntesten Stockfoto-Websites, deren Bilder kostenlos und frei genutzt werden dürfen. Über 2 Millionen Fotos von rund 211’000 Fotografen finden sich inzwischen auf der Plattform, Tendenz stark steigend. Kein Wunder, figuriert Unsplash auch seit Jahren auf unserer regelmässig aktualisierten Liste der besten Stockfoto-Websites.

Doch was steckt da dahinter? Wieso stellen enthusiastische Fotografinnen und Fotografen ihre Bilder kostenlos zur Verfügung und verzichten sogar auf eine Namensnennung?

596 Millionen Klicks mit 2’300 Bildern

Wir haben mit Claudio Schwarz gesprochen. Der Dübendorfer ist Frontend-Entwickler und begeisterter Fotograf. Seit 2018 veröffentlicht er regelmässig Fotos auf Unsplash. Und seine Zahlen können sich mehr als sehen lassen. Seine 2’300 Bilder wurden inzwischen mehr als 596 Millionen Mal angeklickt und über 2,3 Millionen Mal heruntergeladen. Damit ist er, gemessen an Views und Downloads, das aktuell erfolgreichste Schweizer Mitglied der Unsplash-Community.

Das Bild des durch Saharastaub eingefärbten Sonnenaufgang in Arth SZ vom Februar 2021 ist das bisher erfolgreichste Foto von Claudio auf Unsplash. Es hat allein in den letzten 6 Wochen fast 21 Millionen Views erhalten und wurde über 70’000 Mal herunterladen.

Was es mit seiner Liebe zur Fotografie auf sich hat, weshalb er lieber auf Instagram verzichten würde und auf welchen kuriosen Grund sein Nickname zurückzuführen ist, hat uns Claudio im Interview verraten.

Claudio, deine erste eigene Kamera hast du dir mit 16 Jahren von deinem Konfirmationsgeld gekauft. Du fotografierst also seit bald 20 Jahren aktiv, aber immer als Hobby. Was fasziniert dich an der Fotografie?
Dass ich anderen zeigen kann, wie ich die Welt sehe und wahrnehme. Das grösste Kompliment erhielt ich 2019 auf einer Familienreise von meiner Schwester, als ich ihr meine Bilder gezeigt habe und sie daraufhin meinte: «Wir sind am gleichen Ort durchgelaufen, wo siehst du immer diese Dinge?»

Seit 2018 veröffentlichst du deine Fotos auf Unsplash, inzwischen sind es mehr als 2’300 Bilder. Wieso Unsplash, was macht die Plattform für dich besonders?
Meine ersten Bilder habe ich im Mai 2018 direkt aus Portugal hochgeladen. Normalerweise erlaubt Unsplash den Upload von maximal 10 Bildern pro Woche. Ich hatte jedoch bereits nach meinem ersten Upload das Privileg erhalten, eine unlimitierte Anzahl meiner Bilder hochzuladen. Ausserdem steht hinter Unsplash eine grossartige Community, die vor allem via Slack kommuniziert. Dort kann man sich Tipps abholen, über Equipment abnerden oder kriegt Unterstützung.

Seit 2019 bin ich zudem Mitglied des Unsplash Photoclubs, wo ein illustres Grüppchen jeweils Themenvorschläge oder Challenges für mögliche Motive direkt durch Unsplash selbst erhält. Daraus sind dann 5 weitere Photoclubs entstanden, wobei ich einen davon leiten darf. Momentan läuft die schon die 2. Runde mit dem Thema «50mm». Die Themen darf ich frei vorschlagen.

Als Nutzer kann ich die bei Unsplash heruntergeladenen Fotos sowohl privat als auch kommerziell nutzen, ohne dich als Urheber bzw. Fotograf zu nennen. Stört es dich nicht, dass deine Fotos genutzt werden können, ohne dass dein Name genannt wird und ohne dass du dafür bezahlt wirst?
Vor 2018 hatte ich zehntausende Bilder auf meiner Festplatte. Ich las damals einen Artikel von Samuel Zeller, der zu dieser Zeit sehr erfolgreich auf Unsplash unterwegs war, was mich dann motivierte, meine Bilder hochzuladen. Schlussendlich war die Frage, was es bringen würde, wenn die Bilder einfach auf der Festplatte liegen und sie nie jemand zu Gesicht kriegt. Ab und zu wäre eine Bezahlung schön, dann könnte man sein Equipment nämlich davon bezahlen. Aber man weiss ja aufgrund der klaren Bedingungen, auf was man sich einlässt. Was mich mehr stört, sind Leute, die meine Bilder herunterladen und versuchen, sie auf Adobe Stock oder Shutterstock zu verkaufen. Plattformen, welche meine Bilder schon mehrfach abgelehnt haben, ausser, sie werden von anderen Usern hochgeladen.

Stockfotografie im klassischen Sinne bringt es für mich nicht. Der Aufwand für Verschlagwortung, Kategorisierung, Beschriftung, etc. ist für die paar wenigen Rappen, die man erhält, horrend hoch. Da kann ich sie auch gleich kostenlos weggeben.

Gibt es DAS Lieblingsfoto von Claudio? «Wenns eins sein müsste, dann wohl diese Hütte in Front der Churfirsten. Ich verbinde damit einen wunderbaren Tag mit meinen Freunden.»

Einen Teil der Bilder veröffentlichst du auch auf deinem Instagram-Kanal. Die Währung dort sind vor allem «Likes» und dein Name ist mit deinem Bild verknüpft. Trotzdem siehst du Instagram als eine ganz andere Welt an, oder?
Es gibt auch auf Unsplash Likes. Bis ungefähr 2019 wurde die gesamthafte Anzahl auch in den Statistiken angezeigt. Inzwischen sind Likes einfach nur noch in den Benachrichtigungen sichtbar. So sehe ich, dass jemandem mein Bild gefällt.

Instagram halte ich inzwischen für kaputt. Zu viel Werbung, zu wenig Fotografie. Auch die ganze Algorithmus-Geschichte. Ich würde gerne die Bilder aller Accounts sehen, denen ich folge. Und zwar chronologisch, so wie in den Anfangszeiten von Instagram. Trotzdem lade ich meine Bilder noch immer hoch, weil Instagram leider die mächtigste Fotoplattform überhaupt ist und es wichtig ist, sich zu zeigen.

Apropos Bezahlung: Das Lizenzmodell von Unsplash ist ja nicht ganz unumstritten. Es gibt Stimmen, die Plattformen wie Unsplash vorwerfen, damit den Markt für professionelle Fotografen kaputt zu machen. Wie siehst du das?
Das glaube ich kaum. Wenn man ein ganz spezifisches Foto haben möchte, dann kann Unsplash das kaum abdecken. Zum Beispiel das Bild einer Hochzeit oder das Portrait einer bestimmten Person.

Konkurrenz sehe ich am ehesten noch für den Landschaftsfotografen, weil das eine Art von Fotografie ist, die am einfachsten zugänglich ist. Jede und jeder kann in die Natur gehen und Fotos davon machen. Schlussendlich macht ein gutes Foto aber immer noch das Auge. Und weil die Natur unberechenbar ist, ist oft auch einfach ein wenig Glück dabei, ob das Bild am Schluss einfach gut oder eben mehr als gut ist.

Vor wenigen Tagen hat Gründer Mikael Cho Unsplash an Getty Images verkauft. Die amerikanische Bildagentur hat im Netz nicht nur ein positives Image. Was ging Dir durch den Kopf, als Du davon hörtest, wohin führt der Weg mit dem neuen Unsplash-Eigentümer?
Laut Unsplash soll alles so bleiben wie es ist. Ich vertraue jetzt einmal darauf, dass sich Getty daran hält. Erfahrungsgemäss halten sich die Käufer bei Übernahmen ein paar Jahre daran und machen es dann doch anders. Sollten sie sich nicht daran halten, dann müsste ich die Situation zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal neu beurteilen.

Zum Schluss: Egal auf welcher Plattform, dich findet man meist sofort unter deinem Nickname «purzlbaum». Was hat es damit auf sich auf sich?
Mein jüngeres Ich hatte vor vielen Jahren nach einer durchzechten Nacht plötzlich das Gefühl, dass es eine gute Idee wäre, den Zebrastreifen auf dem Heimweg mit einer Reihe von Purzelbäumen zu überqueren. Der Nickname war damit erfunden. Und Kopfschmerzen hatte ich danach auch, allerdings mehr vom harten Asphalt. ;)

Danke fürs Gespräch, Claudio.

Du hast Fragen? Claudio beantwortet sie dir gern in den Kommentaren.

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5 Kommentare

Amun Rocco
Amun Rocco 15. Mai 2021 13:05

Spannende Insights. Danke Claudio. Für Werbezwecke bin ich persönlich froh, eine gute Vorauswahl an Bilder zu bekommen – Preis ist dann eig. egal. Genau da Unsplash genial, obwohl kostenlos. Wird vermutlich an der Community dahinter stecken. Gute Auswahl bietet seit jüngster Zeit auch canva.com. Insta ist, da stimm ich Claudio zu, leider unbrauchbar geworden.

Norbert
Norbert 1. Apr. 2021 21:41

Vielen Dank für den nützlichen Beitrag, Tom!

Simon
Simon 1. Apr. 2021 11:29

Lieber Tom, Lieber Claudio

Danke für den herzlichen Beitrag. Es ist so schön von jemandem zu Lesen, der seine Passion lebt und auch weiter macht ohne immer Geld dafür zu wollen. Viele Menschen verstecken alles und machen nur noch Dinge für Geld. Ich selbst benutze Unsplash sehr viel wenn ich Webseiten für Menschen kreiere und bin unendlich dankbar für die Menschen, die die schönen Fotos machen und zur Verfügung stellen.

Ab und zu spende ich dann auch mal was, den ohne Geld können die Plattformen und auch die Fotografen ja nicht überleben. Das ganze Leben ist ein Geben (aus hoffentlich freiem Willen) und ein Nehmen (hoffentlich mit der angebrachten Dankbarkeit).

Herzlichst
Simon

Claudio
Claudio 1. Apr. 2021 12:22

Lieber Simon

herzlichen Dank für deine Worte.

Ab und zu spende ich dann auch mal was, denn ohne Geld können die Plattformen und auch die Fotografen ja nicht überleben.

Die Plattform an sich hatte das Geld nicht nötig, so ehrlich muss man sein. Sie haben 2018 ein Investment über 7.25 Mio. $ erhalten. Man muss allerdings auch wissen, dass die Kosten für Server/Daten enormes Geld kosten. Während man 2016 monatlich noch über 17000 Dollar ausgab, waren es 2019 pro Monat über 98000 $. Die Zahlen habe ich hier entnommen. Dazu kommen natürlich noch Löhne, die es auch noch zu bezahlen gibt.

Dazu kommt, dass Unsplash mit Unsplash Brands auch Geld verdient hat. Das sind platzierte Bilder auf der Startseite, wo die Logos der Marke jeweils gut zu sehen sind.

Bei den Fotografen sieht es vielerorts anders aus. Ich zum Beispiel verfüge über eine Ausrüstung eines Profis und das obwohl es nicht mein Beruf ist. Ab und zu wäre etwas Geld doch wünschenswert, so ehrlich muss ich sein. Ich hatte auch schon einen Paypal Link auf meinem Profil, Geld oder Aufträge habe ich dadurch noch nie erhalten.

Michael
Michael 7. Mai 2021 09:45

Wow. Wenn man die Millionen Views und Downloads bedenkt und dann tatsächlich nicht 1x eine Spende per PayPal kam. Ist das doch schon recht krass.

Ich mache auch Websites und immer wenn ich ein Foto davon benutzt habe, habe ich den Inhaber persönlich angeschrieben und ihm dann 5,- per PayPal geschickt pro Nutzung.

Jetzt wo das ganze Getty gehört kann man es glatt vergessen. Das wird nicht lange dauern und die Fotos werden von Getty Missbraucht um damit das Milliardenimperium weiter zu vergrössern. Eine riesen Schande, dass es an die verkauft wurden. Aber wer verdenkts. Geld regiert die Welt.